10 Jahre KESB - Schutz und Selbstbestimmung oder Behördenwillkür?
- sandroschuler
- 23. Feb. 2023
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. März 2023
Am 1. Januar 2013 ist das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in Kraft getreten und hat das alte Vormundschaftsrecht abgelöst. Die bis dahin zuständigen Vormundschaftsbehörden wurden durch die KESB abgelöst. Die Aufgabe der KESB ist es, Kinder und Erwachsene zu schützen, die selbst und/oder mit der Hilfe der Familie nicht mehr in der Lage sind, für sich zu sorgen.
Was hat sich unter der KESB verändert?
Unter dem alten Regime hat in grossen Teilen der Schweiz der Gemeinderat die Rolle der Vormundschaftsbehörde wahrgenommen. Es haben also meist Personen ohne spezifische Fachkenntnisse im Bereich Psychologie, Recht oder Sozialwesen darüber entschieden, ob jemand einen Beistand erhält, in ein Heim eingeliefert wird oder die Handlungsfähigkeit entzogen wird.
Mit der Einführung der KESB im Jahr 2013 wurde eine «professionalisierte» Behörde mit diesen Aufgaben betraut. Die Angelegenheiten werden nun von einem Gremium von Personen mit psychologischer, sozialer und juristischer Ausbildung bearbeitet und beurteilt. Dies soll die unvoreingenommene, auf Fachwissen beruhende Entscheidfindung fördern.
Der Grundgedanke des heute geltenden Rechts ist die Sicherstellung des Kindeswohls im Bereich des Kindesschutzes und die Förderung der Selbstbestimmung im Bereich des Erwachsenenschutzes.
Wie sieht’s in der Realität aus?
Die Idee, dass Kinder und vor allem Erwachsene im Verfahren mit der KESB stärker mitbestimmen können, tönt an sich ganz gut. Wenn der von der KESB eingesetzte Beistand in seinem Aufgabenbereich etwas erledigt, sollte er grundsätzlich zuerst die verbeiständete Person kontaktieren und informieren und dann mit ihr zusammen eine Lösung finden.
Das Problem dabei ist, dass für diese Rücksichtnahme die Ressourcen fehlen. Ein Beistand betreut gut und gerne 80 Personen gleichzeitig. Das heisst, dass er sich für eine einzelne Person weniger als zwei Stunden im Monat Zeit nehmen kann. Eine sorgfältige, individuelle Betreuung ist so schlicht nicht möglich. Das führt dazu, dass der Beistand in der Regel selbst entscheidet und die Interessen der Person und ihrer Familie meist nicht oder zu wenig berücksichtigt. Das Prinzip einer «massgeschneiderten Massnahme» tönt gut, ist aber in Tatsache eine Massenabfertigung. Die Beistände können schlicht nicht auf die Wünsche der betroffenen Personen – geschweige denn die der Angehörigen – eingehen.
Eine derartige Auslastung der Berufsbeistände führt nicht selten zu einer Überforderung und schliesslich zur Niederlegung des Mandats. Das hat zur Folge, dass ein Wechsel des Beistands nach einem Jahr nicht unüblich ist. Dies ist für den Klienten wiederum problematisch, dem es bei seiner Beistandschaft hauptsächlich um ein Vertrauensverhältnis geht, dessen Aufbau seine Zeit braucht.
Die Attraktivität der Funktion des Berufsbeistands lässt zu wünschen übrig, was auch dazu führt, dass eine Vielzahl der zur Verfügung stehenden Beistände frische Studienabgänger sind, die sich die Sporen verdienen wollen. Nun soll ein 70-Jähriger, der einen Beistand erhält, sich von einem «jungen Ding» erzählen lassen, wie das Leben funktioniert? Und dann wechselt der Beistand auch noch alle zwei Jahre wieder? Da sind Probleme vorprogrammiert!
Schlussbemerkungen
Der Leitgedanke seit der Einführung des neuen Rechts und der KESB war stets die Förderung der Selbstbestimmung des Individuums sowie ein möglichst massgeschneiderter Schutz. Damit dieses Ziel jedoch realisierbar ist, braucht es nicht noch mehr Professionalisierung, sondern einen erhöhten Einbezug der betroffenen Person und deren Angehörigen. Ansonsten bleibt auch der von der KESB gewünschte Image-Wandel (weg von der Willkür) aus und die Kritik in der Bevölkerung bleibt zurecht hoch.
Wir bleiben für Sie am Ball.

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